Schützengilde Hitzacker Historie

Historie

Schützengilde Hitzacker 1878Im späten Mittelalter mußten deutsche Städte um ihr wirtschaftliches Wohlergehen bangen: Raubritter trieben ihr Unwesen, überfielen die Bürger, plünderten deren Hab und Gut. Getreu dem Motto "Einigkeit macht stark" sannen die betroffenen Gemeinwesen auf Abhilfe: 1392 schlossen sie sich zum Lüneburger Satebund zusammen (Sate = Satzungen). Jenem wehrhaften Trutz- und Schutzbündnis trat auch die Stadt Hitzacker bei: mit mutigen Männern, die bereit waren, ihre Stadt mit der Waffe in der Hand gegen räuberische Elemente zu verteidigen: die "Geburtsstunde" der Schützengilde zu Hitzacker! Ihr exaktes Gründungsdatum liegt im Dunkeln, in der Geschichtsschreibung der Gilde geht man von 1395 aus. Hitzackers Schützengilde zählt zu eine der ältesten in Europa. Einer der allerältesten Gilden, deren Existenz urkundlich belegt werden kann, ist die Gilde Gymnich von 1139. Mit ihrer Gründung Ende des 14. Jahrhunderts ist die Hitzackeraner Schützengemeinschaft in namhafter Gesellschaft, bildeten sich doch in jener Zeit in fast allen bedeutenden Städten Schützengilden: In Hannover 1379, in Paris 1390 und in München 1393. Ob in Hitzacker, in der weißblauen Residenzstadt oder wo auch immer - die Gilden hatten neben ihrer Bedeutung als Verteidigungsgemeinschaft einen angenehmen Nebeneffekt: die Feste, welche die Einwohner der Städte in unbeschwerter Rund zusammenführten - eine Tradition, die sich bis heute ungebrochen erhalten hat.

Schützengilde Hitzacker 1958Dokumente aus der Gründungszeit der Schützengilde Hitzackers gibt es nicht mehr; vielleicht sind sie bei einem Feuer vernichtet worden. Dennoch ist uns viel Wissenswertes aus den noch vorhanden historischen Schriftstücken - das älteste ist ein Gilderegister von 1587 - überliefert worden. Schon im Jahre 1414 war die Gilde im Besitz einer Schützenwiese. Aus der Verpachtung jener Wiese bezog die Gilde im wesentlichen ihre Einkünfte. 1587, dies belegt das erwähnte Register, betrugen die entsprechenden Einnahmen insgesamt 40 Mark und 8 Schilling. Dieses Geld "wurde zum größten Theil am Gildetage vertrunken". Zu jenem Fest waren zwischen 100 und 150 Schützen, deren Familienangehörige und Gäste erschienen. Im Jahre 1612 nahm der seinerzeit in Hitzacker residierende Herzog August der Jüngere die Schützenwiese "in Benutzung". Als Entgelt dafür erhielt die Gilde vom Fürsten jährlich 6 Tonnen Soltmann-Bier und 2 Fuder Maibüsche zum Bau einer Laube während der Festtage.

Schützengilde Hitzacker HistorieDer 30jährige Krieg und seine Folgen führten auch in Hitzacker dazu, daß viele Jahre lang kein Schützenfest ausgerichtet werden konnte. Erst 1655 ordnete Herzog August der Jüngere an: Die Schützengilde möge wieder feiern. 50 Bürger folgten diesem Aufruf, und wieder gab's die 6 Tonnen Pacht-Bier. Doch es gab noch mehr: eine Satzung! Sie wurde erlassen damit in der Gilde "alles ehrbar und christlich zugehen möge. Vorgeschrieben war in dem Reglement zum Beispiel, daß die neue Schützenmajestät nach erfolgtem Königsschießen nach Hause geleitet werden mußte und vor der "Behausung" des Regenten war dann ein Ehrenschuß abzugeben. Verboten waren Schlägereien. Wer sich doch an einer solchen beteiligte, sollte "von den Gildemeistern ernstlich bestrafet werden", drohte die Satzung. Und wenn die Feier auch noch so schön war: Um 22 Uhr abends mußte "ein jedweder" nach Hause gehen, damit er am nächsten Tag wieder munter zum Schützendienst erscheinen konnte. Bösewichte, die beim Schützenfest mutwillig ein Glas zerdepperten, mußten zur Strafe eine halbe Tonne Bier ausgeben. Das gleiche Strafmaß wurde von durstigen Männern verlangt, die sich aufgrund allzu großer Trinkfreudigkeit erbrechen mußte. Und wer solch ein Malheur beobachtete und den "Übeltäter" nicht sogleich den Gildemeistern meldete, auch der mußte eine halbe Tonne Gerstensaft entrichten. Eine ganze Tonne hatte zu zahlen, wer "im Gildehause etwas entwendet", "Trinkgeschirre" zum Beispiel. Billiger kam davon, wer einen Fluch ausstieß: 4 Schilling sah der "Bußgeldkatalog" von 1655 zur Ahndung solchen Frevels vor. Zum Register aus jenem Jahr gehört auch eine Schützenfestabrechnung: Sie verzeichnet Einnahmen von insgesamt 23 Reichstalern und 7 Schillingen; in dieser Summe enthalten unter anderem: über 15 Taler "Gildegeld", das die Bürger zu zahlen hatten. Die Ausgaben summierten sich auf 24 1/2 Taler und 14 Schillinge - für den Ausgleich des Defizits sorgte unter anderem der Bürgermeister. In der Ausgabenliste findet man zum Beispiel: 11 Schillinge für Kalbfleisch, 3 Schillinge für Brot, 1 Taler und 6 gute Groschen für Spielleute-Lohn; das meiste Geld jedoch floß für Bier: rund 16 Taler. Etwa 1800 Liter sind damals verbraucht worden, bei 70 bis 80 durstigen Männern wären das rund 20 Liter pro Person - außer dem, was jeder noch auf eigene Rechnung verzechte. Als Herzog August der Jüngere 1666 starb, war's auch mit der 6-Tonnen-Bierlieferung aus dem Schloß vorbei. Doch der Rat ließ nicht locker, sandte mehrfach Bitten an die nachfolgende Fürstlichkeit - und hatte Erfolg: Nach mehreren Jahren "Dürre" wurden die alljährlichen Lieferungen wieder aufgenommen.

Schützengilde Hitzacker Historische GildeBetrübliches widerfuhr der Gilde am 24. Mai 1710: Per Verfügung verbot der Herzog das Scheibenschießen! Begründung: Dergleichen Übung sei nutzlos, gebe vielmehr Anlaß zum "Gesöff und anderem liederlichen Handeln". 1725 wagte der Rat einen Versuch, bat um Genehmigung für ein Gildefest - doch ohne Erfolg. Erst 1742 durfte wieder gefeiert werden; 67 Bürger waren dabei, vermeldet die Chronik. Die erwähnte Satzung von 1655 war mittlerweile etwas überaltert, und so schuf die Gilde 1742 ein neues Regelwerk. Dieses Reglement hatte vor allem das harmonische Zusammensein während der Schützenfeste zum Ziel. So appelliert es an die Gildebrüder, sich "aller groben scherzhaften auch aller anzüglichen und stichelnden Reden" zu enthalten. Und falls ein Bürger auf einen anderen "einen privat Haß" habe, so sollte er ihn während des Festes "nicht äußern", sondern sich "wie es christlichen Nachbarn gebührt" friedlich zeigen. Auch Ruhestörungen waren verpönt: Beim Ausmarsch, so die neue Satzung, sollten die Schützen in der Nähe von Häusern nicht mit dem Gewehr herumknallen. Wie gesagt, von 1742 an feierten die Hitzackeraner ihr Gildefest wieder regelmäßig, doch: Der Zuspruch zu jenem Ereignis nahm im Laufe der Jahre ab. 1788 war das Interesse der Bürger derart gering, daß der Rat sogar überlegte, die Gilde abzuschaffen, aufzulösen. Man ging ganz demokratisch vor, startete vor der Entscheidung eine Umfrage; Ergebnis: 56 Bürger bekundeten durch ihre Unterschrift, auch künftig aktiv am Gildeleben mitwirken zu wollen - der Fortbestand der Schützengemeinschaft war gesichert !

Fahnenträger historischSchmucke Uniformen und Anzüge, die heutzutage bei den Ummärschen der Gilde deren einheitliches Bild bestimmen, gab es im 18. Jahrhundert in Hitzacker noch nicht, erst 1842 wurde eine Uniform eingeführt: dunkelgrüner Rock mit Stehkragen, Stadtwappen und Goldknöpfen, dazu "lange weiße Beinkleide" und eine dunkelgrüne Kappe mit der hannoverschen Kokarde. Der führende Offizier bekam statt der Kappe einen dreieckigen Hut mit weißer Feder.

1794 beschloß die Gilde, in der Klötze ein neues Schützenhaus zu bauen. Das - vermutlich - 1697 errichtete erste Gildedomizil mag baufällig gewesen sein. Das Geld das sollte die Bürgerschaft "durch freiwillige Zeichnung" aufbringen. Doch die Hitzackeraner zeigten sich ziemlich zurückhaltend: Nur 23 Taler kamen zusammen - zu wenig für das gewünschte Projekt. Erst 1853 entstand ein Schützenhaus in der KIötze: 300 Taler berechnete Maurermeister Kraft für den Bau. Schon 17 Jahre später wurde für 1330 Taler ein neues, aufwendigeres Schützenhaus errichtet.

Während der französischen Besetzungszeit wurde von 1803 bis 1810 nicht gefeiert; 1811 und 1812 durften sich die Bürger dann wieder an ihrer beliebten Festivität erfreuen, doch schon 1813 war wieder Verzicht angesagt: Die Hitzackeraner wurden häufig zu Schanzarbeiten an der Festung Dömitz herangezogen, hatten keine Zeit zum Fröhlichsein, zumal sie unter der oft 200 bis 300 Mann starken französischen Einquartierung "sehr zu leiden hatten". Von 1814 an gab's vorerst keine Anlaß mehr, das alljährliche Fest ausfallen zu lassen.

Vorübergehend verlor die Schützengilde ihre traditionsreiche Bezeichnung: 1843 wurde sie durch Magistratsbeschluß in "Schützencorps" umbenannt. Das Wort "Gilde" erschien bei der damaligen "militärischen" Organisation der Gemeinschaft nicht mehr passend. Dementsprechend wurden die in der Gilde als "Schaffer" in führender Position wirkenden Bürgervorsteher abgelöst: durch Hauptmann, Lieutenant und Fähnrich.

Aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestehen leider keine so akribischen Aufzeichnungen der Gildegeschichte, wie sie Wilhelm Keetz in einer Gildechronik bis dahin zu Papier gebracht hatte. Erhalten sind allerlei Schriftstücke, zumeist bezogen auf die jährlichen Schützenfeste. Da gibt es zum Beispiel aus dem Jahre 1908 die Rechnung der Biergroßhandlung H. W. Stahlbock, die von der Gilde für 135 Glas Bier 11,85 Mark haben wollte, und aus erlauchter Feder stammt ein Dokument vom 7. Juni 1913: Prinz Ernst August, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, und seine Gattin bedanken sich bei der Gilde für die Glückwünsche zu ihrer Vermählungsfeier. Im ersten Weltkrieg ruhten die Aktivitäten der Schützengilde. Erst 1920 lebte sie wieder auf - zu verdanken war dies vor allem dem Einsatz des Uhrmachermeisters Otto Nehls, Schützenkönig von 1914.

Drei Jahre nach Kriegsende, 1948, war für die Schützengilde die Zeit des Neubeginns gekommen: Gildemeister Kurt Nehls rief 56 Schützenbrüder aus den Vorkriegstagen zusammen, um mit ihnen die traditionsreiche Gemeinschaft wieder "in Gang zu bringen". Nehls und seine Kameraden hatten Erfolg - die Gilde erfreute sich regen Zuspruchs: Innerhalb eines Jahres schlossen sich ihr 30 neue Mitglieder an, und 1949 konnte wieder Schützenfest in der Elbestadt gefeiert werden.

altes Schützenhaus HitzackerZu den Eckdaten der Hitzackeraner Gildegeschichte gehört auch ein schwarzer Tag, der 16. Januar 1978. Er brachte den Schützen einen bösen Verlust: Nachts hatte ein Feuer in der "Klötze" sowohl die Schützenklause als auch den Schießstand völlig zerstört. Wahrscheinlich war es ein Brandstifter, der den "roten Hahn" wüten ließ, denn: Bei ihren Ermittlungen fand die Polizei hinter dem Schießstand einen leeren Benzinkanister. Der Gesamtschaden, den das Feuer anrichtete, wurde auf 200.000 DM geschätzt; besonders schlimm: Die Flammen hatten nicht nur Pokale und Gewehre vernichtet, sondern auch viele unersetzliche Erinnerungen: Bilder einstiger Schützenkönige und Urkunden. Aber auch von solch betrüblichem Geschehen lassen sich wackere Schützen nicht kleinkriegen, und so entwickelte der damalige Obergildemeister Hans Kaiser unmittelbar nach Besichtigung der Brandstätte schon Baupläne für einen neuen Schießstand.

Gut drei Jahre nach dem verheerenden Feuer war es so weit: Die Schützen konnten wieder in eigenen Räumen das Ziel anvisieren. Am 2. Mai 1981 wurde nach rund einjähriger Bauzeit der neue Schießstand seiner Bestimmung übergeben: Rund 300.000 DM hat er gekostet.

1995 feierte die Gilde ihr 600 jähriges Bestehen mit einem großen Jubiläumsschützenfest. Die Königswürde erschoss sich der 1.Gildemeister Peter Schneeberg.

Das Schützenfest 2013 musste wegen des Jahrhunderthochwassers der Elbe ausfallen. Es gab keinen neuen König. Harald Steindorf Schützenkönig 2012 vertritt als Vize-Majestät die Schützengilde als amtierender König.

In dem Corona Jahr 2020 musste ebenfalls das Schützenfest ausfallen.

Im September 2021 hat die Schützengilde dann endlich wieder ein kleines, rein internes Schützenfest an 2 Tagen mit einem kleinen Schützenplatz in der Klötze, unter den alten Eichen, gem. der damals geltenden Niedersächsische Corona-Verordnung, ohne Gäste, gefeiert. Es wurde kein neuer Schützenkönig ausgeschossen. Fritz Boldt vertrat als als Vize-Majestät die Gilde als amtierender König.

2022 wurde dann in der Elbestadt nach 2 Jahren Corona endlich wieder Schützenfest gefeiert.

Die Schützenbrüder haben die Auszeit in der Corona-Phase genutzt, um den Schießstand in der Klötze zu modernisieren.


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